Fachinterview zum Thema Rücken- und Kopfschmerzen mit Efe Gökpinar, Chiropraktor mit eigener Chiropraxis in Hamburg
Experteninterview zum Thema Rücken- und Kopfschmerzen
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Chiropraktiker und einem Chiropraktor?
Efe Gökpinar: Der entscheidende Unterschied ist die Ausbildung (Dauer und Qualität): ChiroprakTOREN haben ein intensives Studium der Chiropraktik (5 Jahre an der Universität/Hochschule + 1 Praxisjahr) absolviert, das sowohl den einheitlichen internationalen Standards als auch den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entspricht. Durch das Studium, in dem auch Wissen aus den Bereichen Neurologie, Orthopädie sowie Rheumatologie vermittelt wird, verfügt ein Chiropraktor zusätzlich über fundierte Kenntnisse, die weit über die der Allgemeinmedizin hinausgehen, so dass er nicht nur dazu in der Lage ist, radiologische Bilder zu lesen; er ist auch röntgen- und diagnoseberechtigt – im Gegensatz zu Chiropraktikern.
Chiropraktiker sind Heilpraktiker, die lediglich eine Zusatzausbildung im Bereich Chiropraktik absolviert haben. Die Ausbildungsstandards sind nicht gesetzlich definiert und reichen daher von kurz bis lang sowie qualitativ gut bis leider unzureichend. Trotz dieser Diskrepanz gibt es in Deutschland – im Gegensatz zu sehr vielen anderen Industrieländern – noch kein eigenes Berufsgesetz für Chiropraktoren. Sie sind daher trotz ihrer hochqualifizierten chiropraktischen Ausbildung dazu verpflichtet, unter dem Heilpraktiker-Gesetz zu arbeiten.
Chiropraktik bekämpft langfristig Beschwerdeursachen
In Deutschland leidet jeder dritte Erwachsene unter Rückenschmerzen. Laut Forschungsergebnissen ist die Chiropraktik hier die effektivste Behandlungsmethode. Wie lässt sich das erklären?
Efe Gökpinar: Vereinfacht dargestellt lässt es sich so erklären, dass die chiropraktische Behandlung nicht auf die kurzfristige Symptombekämpfung abzielt, wie z. B. Spritzen, sondern auf die langfristige Behebung der Ursache, die sehr häufig auf Blockaden zurückzuführen ist (Ursache à Fehlstellung à Symptom). Bei einer Blockade handelt es sich um eine Fehlstellung der Wirbel oder Gelenke, die oft nicht nur mit Schmerz, sondern auch mit eingeschränkter Beweglichkeit verbunden ist. Dafür ist das zentrale Nervensystem verantwortlich, das durch die Wirbelsäule geschützt wird und sämtliche Körperfunktionen steuert und kontrolliert. Durch eine Fehlstellung der Wirbel kommt es zum Druck auf das Nervensystem, wodurch eine Vielzahl von Symptomen wie beispielsweise Rückenschmerzen ausgelöst werden können. Das Prinzip der fachmännisch durchgeführten chiropraktischen Behandlung ist einfach wie genial: Durch die rein manuell durchgeführte Behandlung werden die Wirbel und Gelenke justiert (der Volksmund spricht hier unzutreffenderweise oft von „eingerenkt“) und somit wieder in die ursprüngliche Stellung gebracht. Der Druck auf das zentrale Nervensystem nimmt ab, der Schmerz geht bzw. die Symptome klingen ab.
Um es gar nicht erst zu einer Blockade und damit in Folge zum Beispiel zu Rückenschmerzen kommen zu lassen, sind Sport bzw. Bewegung und die richtige Haltung die perfekte Prävention. Denn der Druck, der durch Bewegung erzeugt wird, ist die „Nahrung“ der Bandscheiben und des Knorpelgewebes. Mit ausreichender Bewegung verhält es sich übrigens genauso wie mit dem Zähneputzen: Um Karies effektiv vorbeugen zu können, ist das tägliche Zähneputzen unumgänglich. Hält man sich diese Tatsache vor Augen, ist es nicht weiter verwunderlich, dass inaktive Menschen bzw. Menschen, die nicht für ausreichend Ausgleich zu ihrer einseitigen bzw. sitzenden Tätigkeit sorgen, oftmals unter dem Volksleiden Rückenschmerzen leiden. Wer aufgrund von Rückenschmerzen keinen Sport treibt, begibt sich in einen Teufelskreis von Inaktivität und Schmerzen. Dieser Teufelskreis kann durch Eigenverantwortlichkeit (regelmäßig ausreichend Bewegung) und die Lösung von Blockaden (durch Chiropraktik) schnell und nachhaltig unterbrochen werden.
Die häufigsten Beschwerdesymptome
Welche Arten von Rückenbeschwerden behandeln Sie in Ihrer Praxis am häufigsten?
Efe Gökpinar: In meiner Praxis behandeln wir besonders häufig Patienten mit folgenden drei „Problemzonenen“ und Symptomen:
Lendenwirbelsäule (LWS)/Becken – mit und ohne Ausstrahlung ins Bein
Brustwirbelsäule (BWS) – allgemeine vegetative Störungen wie Atembeschwerden, Magen- oder Brustschmerzen oder Herzrasen
Halswirbelsäule – mit und ohne Ausstrahlung in die Arme, Schwindelgefühl und Kopfschmerzen.
Des Weiteren behandeln wir viele Patienten mit einem Bandscheibenvorfall oder einer Sportverletzung, Trauma sowie Arthrose. Last but not least zählen bereits sehr viele Kinder und Säuglinge zu unserem Patientenkreis.
Verspannungen der Nacken- und Rückenmuskulatur können auch Kopfschmerzen verursachen. Wie gehen Sie bei diesem Beschwerdebild vor?
Efe Gökpinar: Es gibt 100 verschiedene Arten von Kopfschmerzen, die man in drei Kategorien einordnen kann: Spannungskopfschmerzen, Nackenkopfschmerzen und Migräne. Des Weiteren gibt es drei „Ursprungskategorien“:
- Physisch (z. B. Kopfschmerz durch einen Stoß/Schleudertrauma)
- Chemisch (z.B. Kopfschmerzen nach übermäßigem Alkoholkonsum, Einatmen von Lack- und Farbdämpfen)
- Bio-Chemisch (z.B. Kopfschmerzen durch falsche Ernährung; sehr häufig bei Migräne-Patienten)
- Psychisch (z.B. Kopfschmerzen durch seelische Belastung)
Um herausfinden zu können, ob der Patient unter einem Kopfschmerz leidet, der durch Chiropraktik zu behandeln ist, ist ein sehr ausführliches Gespräch mit dem Patienten zwingend erforderlich; die Suche nach den Ursachen kommt manchmal der Detektivarbeit gleich:
- Ist der Schmerzauslöser bekannt (z. B. durch einen Unfall)?
- Wie stark ist der Schmerz auf einer Skala von 1 – 10?
- Handelt es sich um einen Dauerkopfschmerz?
- Wann fingen die Kopfschmerzen an?
- In welchem Zusammenhang treten die Kopfschmerzen auf bzw. ist ein Auslöser festzumachen?
- Könnten die Schmerzen hormonell bedingt sein, was insbesondere bei Migräne häufig der Fall ist?
- Wie hat sich der Kopfschmerz entwickelt, usw.?
Wenn die Kopfschmerzen tatsächlich durch Chiropraktik zu behandeln sind, haben sie häufig folgende Ursachen:
Nackenkopfschmerzen: Blockade(n) in der HWS
Spannungskopfschmerzen: häufig ist eine Blockade weiter unten ursächlich, also am Übergang in der HWS/BWS.
Migräne: Blockaden in der HWS mit sehr intensiver Symptomatik. In der ersten Zeit erfolgen die Behandlungen relativ kurz hintereinander, innerhalb von eineinhalb Wochen muss es bereits zu ersten Reaktionen bzw. Verbesserungen kommen.
Hinsichtlich der Blockaden endet die „Detektivarbeit“ nicht mit der Behandlung. Idealerweise wird durch das Patientengespräch die Ursache ermittelt, warum es überhaupt zu den Blockaden oder aber den Verspannungen kommt, um eine langfristige und nachhaltige Verbesserung bzw. Heilung zu erreichen.
Quellenverweis: Das Experteninterview führte medicalpress.
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