Nach medizinischen Schätzungen sind etwa 10 Prozent aller Deutschen vom Restless-Legs-Syndrom (RLS) betroffen. Die sensomotorische Störung verursacht einen unkontrollierten, zumeist nächtlichen Bewegungsdrang in den Gliedmaßen und kann erhebliche Auswirkungen auf die gesunde Schlafqualität und das mentale Wohlbefinden nach sich ziehen.
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Das „Syndrom der unruhigen Beine“, auch als Willis-Ekbom-Krankheit bekannt, betrifft etwa 10 Prozent der deutschen Bevölkerung. Doppelt so viele Frauen wie Männer, insbesondere während und nach der Schwangerschaft, aber auch Kinder und Jugendliche erkranken am Restless-Legs-Syndrom (RLS). Die infolge ihrer nicht eindeutigen und komplexen Symptomatik häufig fehldiagnostizierte neurologische Erkrankung führt zu Fehlinterpretationen wie Hypochondrie oder psychischen Leiden. Im frühen Kindesalter kommt es nicht selten zu Verwechslungen mit Wachstumsschmerzen und ADHS. Erstmals beschrieb 1865 der englische Arzt Thomas Willis, Begründer der Anatomie des Nervensystems, eine symptomatische Ruhelosigkeit mit unbändigem Bewegungsdrang; 1945 erkannte der schwedische Neurologe Karl-Axel Ekbom die Erkrankung als neurologische Störung.
Die genauen Ursachen von RLS sind bis heute nicht abschließend geklärt – zugrunde liegt eine Fehlsteuerung von sensorischen und motorischen Bewegungsabläufen. Zu den Hauptursachen zählen Störungen des Eisen- und Dopaminstoffwechsels im Gehirn aufgrund dysfunktionaler Wechselwirkungen. Das Restless-Legs-Syndrom kann ohne erkennbare Vorgeschichte auftreten, ausgelöst durch Eisenmangel oder Eisenmangelanämie; ferner begünstigen bestimmte Vorerkrankungen, körperliche Mängelzustände und Medikamente wie Antidepressiva oder Neuroleptika das vielschichtige, mitunter über Jahrzehnte schleichend verlaufende Krankheitsbild.
Symptome der sensomotorischen Störung
Charakteristische Symptome wie unangenehmes Kribbeln und schmerzhaftes Druckgefühl in den Beinen sowie der unkontrollierte Bewegungsdrang in den Gliedmaßen, zumeist abends und nachts verstärkt, gehen mit erheblichen Schlafstörungen einher, die oftmals einen enormen Leidensdruck bei den Betroffenen aufbauen. Die unterschiedlich ausgeprägten Beschwerden bessern sich mit sofortiger Linderung bei nachfolgender Bewegungsaktivität, je nach Schweregrad der Beeinträchtigung in differenzierter sportlicher Bewegungsintensität. Der extreme Bewegungsdrang verursacht keine unwillkürlichen Körperreaktionen wie Tics oder Tremor, wird jedoch vielfach als periodisch auftretende Muskelzuckungen im Schlaf- und Wachzustand wahrgenommen.
Tiefliegend ausstrahlende Beschwerden in Knochen und Muskulatur, typisches Ameisenkribbeln, Spannungs-, Wärme- und Kältegefühl sowie undefinierbare Schmerzen und Krämpfe an Waden, Schienbein, Knien, Händen, Füßen und auch im Gesicht können in regelmäßigen, tage- bis monatelangen Schüben auftreten, durchbrochen von beschwerdefreien Intervallen. Die Willis-Ekbom-Krankheit führt nicht zu körperlichen Schädigungen, doch sind deren gesundheitsbeeinträchtigende Nachwirkungen und Begleiterscheinungen immens. Hierzu gehören chronische Erschöpfung infolge Schlafmangel, Schwindel, die Energiestoffwechselstörung Migräne, Konzentrationsstörungen und Depressionen.
Therapie des primären und sekundären RLS
RLS wird klinisch in zwei Formen unterteilt: die primäre idiopathische Erkrankung mit wahrscheinlich genetischer Ursache aufgrund ihrer familiärer Häufigkeit und das auf signifikanten Mangelzuständen beruhende sekundäre RLS, abgrenzend auch Komorbides RLS genannt. Das sekundäre Restless-Legs-Syndrom wird vorrangig ausgelöst durch Spurenelementdefizite im essentiellen Eisenhaushalt, Folsäure-, Magnesium- und Vitamin B12-Mangel, darüber hinaus durch chronische Lebererkrankungen, Niereninsuffizienz, Multiple Sklerose, die Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus, Arthritis, Erkrankungen des peripheren Nervensystems und Venenerkrankungen wie Varizen.
Zur symptombezogenen Behandlung, unterteilt nach Schweregrad anhand von Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), werden Auswertungen des Restless-Legs-Diagnose-Index hinzugezogen. Die zumeist nebenwirkungsintensive medikamentöse Therapie mit Dopamin-wirksamen Medikamenten orientiert sich am subjektiven Leidensdruck der Patienten. Sind wirkstoffspezifische Monotherapien nicht erfolgreich, können moderat dosierte Kombinationstherapien Linderung verschaffen. In schweren Fällen kommen Opioide wie Oxycodon oder Codein zum Einsatz. Die langfristige Verabreichung von Cannabinoiden, psychoaktiven Substanzen, wird aktuell kritisch diskutiert. Durchblutungsanregende Massagen, hochfrequente Vibrationsverfahren, holistische Kältetherapie und psychotherapeutische Maßnahmen können die Beschwerden zumindest kurzzeitig verbessern.
Weiterführende Infos und Buchlektüre:
Prof. Dr. med. Jörn P. Sieb: „Restless Legs – Endlich wieder ruhige Beine“; Manfred A. Ullrich: „Wirksame Hilfe beim Restless-Legs-Syndrom (RLS)“; Deutsche Restless Legs Vereinigung (RLS e.V.): Selbsthilfegruppen und Unterstützung für Betroffene im Webportal
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