Als der italienische Duftexzentriker Alessandro Gualtieri, alias „The Nose“, 2007 sein Amsterdamer Private Label NASOMATTO gründete, schwebte ihm ein ebenso phantomgleiches wie exaltiertes Kunstprojekt in der puren Sprache der Düfte vor. Wo kafkaeske Humoreske für literarisch ambitionierte Spürnasen wenig bis nichts offenbart, lässt abstrakte Komponentenalchemie umso mehr Raum für freie assoziative Interpretationen, ein olfaktorisches Ratespiel mit gefährlichem Tiefgang.
Das Phantom der Duftavantgarde
Der kauzig-geniale „Einstein der Avantgarde-Parfümerie“, Star-Parfümeur Alessandro Gualtieri, schickt das unbedarfte Riechorgan mit spärlich gestreuten Hinweisen nach Pfadfinderart auf olfaktorische Spurenlese. NASOMATTOs verrückte Nase schließt sodann ein Lücke zwischen dem Geruchssinn und anderen Sinnesreizen. Kraftvoll, originär und pulstreibend lebendig, changieren die derzeit 11 Unisex-Projektkreationen irgendwo zwischen hinterlistiger Widerborstigkeit und diffusem Vergnügen. Skrupellos, trickreich, doch immer authentisch, suchen sich die übergroß kubisch oder zylindrisch bekappten Extraits ihren Weg ins kollektive Parfümgedächtnis.
Die sequenziert aufblitzenden, langhaftenden Duftakkorde setzen auf das überraschende Spiel mit erlesenen Einzelkomponenten. In kleinen Chargen werden diese im Amsterdamer Hauslabor von Hand abgemischt, angereichert mit konzentrierten Parfümölen und feinen natürlichen Ingredienzien. Gualtieri, der traditionell geschulte Dufttechniker, sieht Geruchswahrnehmungen als treibende Katalysatoren für das menschliche Handeln. Vielfach entwickeln dessen liquide Gefühlsverstärker bereits im Entstehungsprozess eine entfesselte Eigendynamik, mutig kalkulierter Kontrollverlust, der gewollt kontroverse Misstöne erzeugt.
Fantomas, ein Kriminalstück in drei Akten
Der geometrische Flakonkörper mit schwarz-weiß marmorierter Verschlusskappe im blutroten Packaging offenbart FANTOMAS (2020), ein metaphorischer Gewaltakt der listigen Verhüllung. In das silberfarbig folierte Nass fließt die bedrohliche Vision einer kontinentalen Überflutung ein. Nebulös, schwer greifbar, dennoch ausgeführt in messerscharfer Präzision. Synthetisierte obergärige Melonen-Gurken-Akkorde schleichen sich hinterrücks an chemisch erhitztes Gummi und metallisch rauchige Noten, ein schurkisch inszenierter, explosiv qualmender und hochgiftiger Laborunfall.
In der verruchten gelbgrünen Reagenz ABSINTH (2007) schlummern ungezügelte Stimulanzien, die die Grade der Hysterie ausloten wollen. Der wermutschwere Triebtäter windet sich in komplexen eintrübenden Rauschintervallen um knorriges Wurzelholz und bitterherbe Kräutersüße.
Das ebenso narkotisierende wie chemisch abstrakte Formelgemenge BLAMAGE (2014) ist nach Gualtieris Aussage seine unglücklichste Kreation, ein provokanter Querschläger, der aus der wohlgeordneten Reihe tanzt. Erdig-grün und feucht-holzig, verpackt in braun gemasertes Massivglas und klobiges weißes Kappendesign in Baumrinden-Replik. Ausgelöst durch den erzwungenen Fallout in intellektuelle Niederungen, erwächst aus ledrigem Birkenholzgeflecht in cremiger Synthese totales unberechenbares Gefühlschaos.
NASOMATTO ist bundesweit im gehobenen Fachhandel, in ausgesuchten Online-Parfümerien sowie bei BREUNINGER unter: www.breuninger.com zu entdecken.
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