Man nennt sie ganz unverblümt „Forgotten Disease“, Endometriose, die vergessene Krankheit. Der extrem lange und schmerzvolle Leidensweg der Betroffenen, einhergehend mit unspezifischen Beschwerden und schwierig zu diagnostizierenden Begleiterscheinungen, ist charakteristisch für diese häufig vorkommende, gutartige und chronische gynäkologische Erkrankung.
Das Chamäleon in der Gynäkologie
Zwei Millionen Patientinnen in Deutschland sind betroffen und jährlich kommen etwa 40.000 weitere hinzu – die Rede ist von Endometriose. Die zwar gutartige, aber schmerzhafte chronische Erkrankung gilt als „Chamäleon“ unter den gynäkologischen Krankheitsbildern – vielfach unerkannt, dennoch weit verbreitet und nach Myomen an zweiter Stelle rangierend. Deren Diagnostikerhebung gestaltet sich langwierig über einen Zeitraum von 10 Jahren oder mehr und kompliziert, da begleitet von unspezifischen Symptomen und Begleiterscheinungen. Fakt ist, gegenwärtig investiert das deutsche Gesundheitssystem geringe bis keine Unterstützung in die wichtige medizinische Erforschung; Fördermittel fließen fast ausschließlich über private Spendengelder. Prof. Dr. med. Sylvia Mechsner, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Leiterin des Endometriose-Zentrums an der Berliner Charité, hat sich mit ihrer strategischen Ursachenforschung und ihrem Aufklärungsengagement dem zu wenig beachteten Leiden der „vergessenen Frauen“ angenommen.
Was ist Endometriose?
Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Endometriosegewebe ist bei dieser Erkrankung außerhalb der Gebärmutterhöhle angesiedelt, zumeist im unteren Bauch- oder Beckenraum. Ein weicher bis zystischer Befall ist zudem auf Eileitern, Eierstöcken, Gebärmutter, Scheidenwand oder Dickdarm möglich, selten mit extragenitaler Ausprägung in Lunge oder Gehirn auftretend. Herde können auch im Narbengewebe vorkommen; bei 60 Prozent der Erkrankten wird die Besiedlung im Bandapparat des Uterus lokalisiert. Die genauen Krankheitsursachen sind bis heute nicht erforscht und somit konkrete Prophylaxe-Maßnahmen nicht durchführbar. Mediziner vermuten hierin einen Auslöser für die Unfruchtbarkeit.
Die Endometriose ist insbesondere gekennzeichnet durch krampfartige menstruationstypische Unterbauchschmerzen mit zunehmender Intensität. Betroffene Frauen klagen je nach anatomischer Befundlage und aktiver beziehungsweise inaktiver Herdausdehnung über anhaltende Schmerzen beim Sexualverkehr und Harnlassen, über erschwerten Stuhlgang sowie chronische Kopf- und Rückenschmerzen aufgrund dauerhafter Nervenreizung. Auftretend von der Pubertät bis zur Menopause, zumeist zwischen dem 25. und 25. Lebensjahr, ist die Endometriose bis auf wenige Ausnahmen eine reine Frauenkrankheit. Häufige Fehlinterpretationen sind verantwortlich für die verspätete Diagnosestellung – so führen reguläre Menstruationsbeschwerden, symptomatische Defizite in der Ultraschalltherapie oder die Verabreichung von schmerzlindernden Kontrazeptiva zur signifikant verzögerten Diagnostik.
Erschwerte Ursachenforschung und verschleppte Diagnostik
Verfechter der sogenannten Transplantationstheorie vermuten, dass lose Gebärmutterschleimzellen bei retrograder Menstruation verschleppt und neu angesiedelt werden. Als Auslöser der fehlerhaften Peristaltik werden zudem Störungen des vegetativen Nervensystems verortet. Weiterhin werden genetische Defekte, Umweltgifte, immunologische Ursachen wie auch das Zusammenwirken multimodaler Faktoren thematisiert. Die internationale WHO-Klassifikation unterteilt vier Schweregrade mit leichter bis schwerer Herdausprägung in der Diagnostik dieser komplexen gynäkologischen Erkrankung mit hoher Rezidivrate, die bisher keine wirkungsvolle Individualtherapie einschließt. Eine Endometriose-Behandlung erfolgt primär über operative Eingriffe mittels Gewebeentfernung durch Laserchirurgie, Exstirpation oder Kauterisation sowie sekundär durch die gezielte hormonelle Zyklushemmung, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Im Langzeitkonzept kommen derzeit medikamentöse Therapien zur Schmerzbehandlung neben komplementären Behandlungsansätzen ohne evidenzbasierte Wirkaussage zur Anwendung.
Weiterführende Infos zum Thema:
Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V., Bernhard-Göring-Str. 152, D-04277 Leipzig, info@endometriose-vereinigung.de, www.endometriose-vereinigung.de; Endo-Community Germany (endo-COM), info@endo-community.de; BAYER (SCHWEIZ) AG, www.endometriose-info.ch
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