Die Urtikaria, umgangssprachlich auch Nesselsucht, ist eine krankhafte Hautreaktion, einhergehend mit Primäreffloreszenzen wie Quaddeln und tastbaren roten Papeln, daneben großflächigen Erythemen, Schwellungen sowie starkem Juckreiz. Laut Statistik durchleben bis zu 25 Prozent aller Menschen wenigstens einen akuten urtikariellen Ausbruch; zirka ein Prozent der Deutschen sind von der seltenen chronischen Urtikaria betroffen.
Eine krankhafte Hyperreaktion der Haut
Nesselsucht oder Nesselfieber, von lateinisch urtica „Brennnessel“, ist eine Hauterkrankung mit unterschiedlicher Ausprägung und differenziertem Verlauf. Während die akute Urtikaria nur wenige Tage bis zur vollständigen Rückbildung auftritt, erstreckt sich die chronische Variante vielfach über Jahre mit zumeist enormer psychischer Belastung für die Betroffenen. Signifikante Symptome sind insbesondere juckende oder brennende Rötungen, blassweiße, hautfarbene oder rote Quaddeln und/ oder Angioödeme – vorübergehende Schwellungen der Dermis, Subkutis oder der dünnen Bindegewebsschichten unter der Schleimhaut. Die blassroten bis roten, manchmal nur stecknadelkopfkleinen Flecken können sich als Erytheme bis zu Handtellergröße ausbreiten und zeigen sich mitunter als „wandernder“ Hautausschlag auf dem gesamten Körper, einschließlich der Genitalien, der schnell den Ursprungsort wechselt.
Auslöser ist primär die Ausschüttung von Histamin aus Mastzellen – die erhöhte Durchlässigkeit dermaler Blutgefäße bewirkt wiederum vermehrte Wassereinlagerungen in der Lederhaut. Ursachen für hochreaktive Prozesse sind weiterhin mechanische und thermische Reize, Nahrungsmittel, Medikamente und symptomverstärkend psychischer Stress. Vielfach geht die Nesselsucht mit allergischen Reaktionen nach chronischen Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Histamin-Intoleranz einher. Seit 2014 wird der jährliche öffentlichkeitsaufklärende Welt Urtikaria Tag (UDAY) begangen.
Die physikalische Urtikaria
Physikalische Formen entstehen durch äußere Einwirkungen wie mechanischen Druck, Licht, Hitze oder Kälte und werden klinisch zu den Pseudoallergien, also Unverträglichkeitsreaktionen, gezählt. Weitverbreitet ist die Kälte-Urtikaria, auch „Kälteallergie“ tituliert. Mediziner gehen heute davon aus, dass eine Reizfehlsteuerung des histaminergen Systems für die Freisetzung von körpereigenem Histamin als Symptomauslöser verantwortlich ist.
Die chronische Urtikaria
Der selten auftretenden chronischen Urtikaria können vielfältige organische Ursachen wie Funktionsstörungen der Schilddrüse oder Nebennierenrinde, auch HNO-Infektionen, allgemein versteckte Entzündungsherde oder das Magen-Bakterium Heliobacter pylori zugrunde liegen. Auch die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis befeuert nachweislich das Auftreten chronischer Veräufe durch eine übermäßige Ausschüttung des immunstimulierenden Botenstoffs Interleukin-6 und eine verminderte Anzahl regulatorischer T-Zellen. Sonderformen sind die cholinergische sowie adrenergische Urtikaria, begleitet von einer Hyperaktivität des vegetativen Nervensystems durch Acetylcholin beziehungsweise Adrenalin. Extrem selten ist die aquagene Urtikaria anzutreffen – Primäreffloreszenzen wie gerötete Papeln und Quaddeln können hierbei bereits durch Kontakt mit destilliertem Wasser ausgelöst werden.
Nesselsucht mit Antihistaminika therapieren
In der Behandlung der Nesselsucht findet die Gewöhnungs- oder Toleranztherapie flächendeckend Anwendung. Hierbei erfolgt ein kontrollierter Kontakt mit dem eruierten Auslöser in steigender Dosierung. Bei der akuten Urtikaria werden je nach individueller Ausprägung Antihistaminika verabreicht; schwere Verlaufsformen machen unter Umständen eine stationäre intravenöse Kortison-Gabe notwendig. Die 3-Stufen-Therapie bei der chronischen Diagnose umfasst in Phase 1 die Standarddosis Antihistaminika, die bei anhaltenden Beschwerden bis zur vierfachen Tagesdosis angehoben wird. In Stufe 3 erfolgt die zusätzliche Verabreichung des zugelassenen Wirkstoffs Omalizumab, ein rekombinanter Antikörper gegen Immunglobulin E. Darüber hinaus sollten chronisch erkrankte Urtikaria-Patienten stets ein Notfallset mit sich führen, bestehend aus einem Kortisonpräparat, einem Antihistaminikum, einem Adrenalin-Autoinjektor oder Asthmaspray.
Weiterführende Informationen und Buchlektüre:
Henz/ Zuberbier/ Grabbe: „Urtikaria – Klinik, Diagnostik, Therapie“; Maurer/ Staubach: „Urtikaria: 100 Fragen – 100 Antworten“; www.urtikariaverband.eu; www.urtikaria-hilfe.de; www.nesselsuchtinfo.de
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