In der elften Folge unserer just me & beauty-Sprechstunde Claudias Beauty-Talk N°11 beschäftigt sich Magazinherausgeberin und Kosmetikfachfrau Claudia Rakow mit dem Special Interest-Leserthema „Cosmeceuticals versus Naturkosmetik“ und beleuchtet Unterschiede in der Wirkaussage.
Clean Organic Beauty – mehr als ein Lifestyle-Trend
Als langjährige medizinische Kosmetikerin schlägt mein Herz seit jeher für dermatologische Wirkstoffkosmetik, die aus der Praxis kommt. Naturkosmetik ist immer auch eine bejahende Lebenseinstellung, ein Lifestyle-Manifest, welches man grundsätzlich verinnerlicht und bewusst in den persönlichen Alltag integriert. Nun ist nicht jeder gleich ein Fan von üppiger Pflanzenbutter-Konsistenz, superexotischen Superfoods oder obergärigem Acerolakirschen-Duft. Dennoch gibt es gerade ein generelles Umdenken hin zum nachhaltigen und planetenfreundlichen Zeitgeistwandel, einen ökologisch korrekten Bio-Hype, auf den auch in Deutschland immer mehr junge Start-ups aufspringen.
Natural Eco-Beauty ist omnipräsent gesellschaftsfähig und hat sich längst aus der einst müde belächelten und angestaubten Reformhausecke befreit. Noch vor etwa 15 Jahren galten die bekennenden Öko-Jünger als schrullige Freaks, als späte Blumenkinder, nie richtig entwachsen der kommunenbildenden Hippie-Ära der 1960er Jahre. Heute liegt wieder „Love in the Air“ und die Pride-Protagonisten der Gen Z cremen ihre Haut ganz selbstverständlich mit blitzsauberer Pflanzenkraft aus dem hippen Naturkosmetikshop ein und glauben an das gesunde Pflegewunder aus der grünen Knolle.
Fernab persönlicher Präferenzen, jeglicher Kurz- oder Langzeittrends und ethisch kultureller, umwälzend ökologischer oder soziographischer Gesellschaftsphänomene gibt es per se Unterschiede zwischen Natur- und konventioneller Wirkstoffkosmetik, die fachlich behandelt werden wollen. Wenn man von Naturkosmetik spricht, muss man zwangsläufig in die Sparten Bio und Natur unterteilen, feine prozentuale Unterscheide in der Gewichtung, die sich am transparent dokumentierten Reinheitsgehalt der verwendeten Ingredienzien orientieren. Anerkannte Prüfsiegel geben genauestens darüber Auskunft.
Demeter-zertifizierte Biokosmetik
Echte Bio-Brands gibt es wenige – das deutsche Demeter-Siegel für biodynamische Herstellung ist das höchste Kriterium für einwandfreie Qualität aus konsequent nachhaltigem und kontrolliert biologischem Anbau im Einklang mit der Natur. Gänzlich frei von chemisch-synthetischen Zusatzstoffen mit +90 Prozent pflanzlichen Bestandteilen, nachvollziehbar deklariert in der gesamten Wertschöpfungskette, sind diese die reinste marktverfügbare native Kosmetikstimulanz. Bekannte Marken wie die Klosterkosmetik Martina Gebhardt, Primavera Life aus dem Allgäu und Hesse Organic Skincare aus Oberbayern zählen zu den Demeter-zertifizierten Bio-Produktanbietern. Hochkonzentriert, licht- und temperaturempfindlich und mit begrenzter Chargen-Haltbarkeit, variieren die vielfach sämigen und gehaltvollen Bio-Texturen im Rhythmus des Pflanzenwachstums und der schonenden Handlese für aufwändige Weiterverarbeitungsprozesse.
Naturgemäß sind Bio-Kosmetika niemals 100 Prozent identisch, somit ergeben sich Abweichungen in Geruch, Farbe und sogar Wirkergebnis. Dies spürt mitunter auch die Haut, die den rhythmischen Pflegeimpulsen bei der potenzierten Komplettverwertung von Blütenblatt, Stängel und Wurzelknolle unterliegt. Mit Naturkosmetik verbinden wir zuallererst nährende Komforttexturen mit lipidreicher Cremigkeit, doch ein einseitig hochdosierter Overkill von Sanddorn, Marula-Öl oder Schisandra-Beere reguliert noch längst keine inflammatorischen Hautprozesse.
Mit Prüfsiegel-Transparenz gegen Greenwashing
Hochkarätig pflanzlich, doch etwas flexibler in den strengen Klassifizierungsreglements, geht es bei vertrauenswürdigen Zertifizierungen von NATRUE, ECOCERT oder BDIH zu. Einen europaweit einheitlichen Standard vertritt der COSMOS-Prüfverband in Brüssel, unterteilt in die vier Signaturen COSMOS Organic, COSMOS Natural, COSMOS Certified und COSMOS Approved. Von Tieren stammende Rohstoffe wie Honig oder Milch dürfen hier vielfach in Cremes und Seren verwendet werden, nicht jedoch Rohstoffe wie tierische Fette oder tierisches Kollagen. NATRUE differenziert natürliche Kosmetika beispielsweise in Naturkosmetik mit Inhaltsstoffen natürlichen Ursprungs, Naturkosmetik mit Bio-Anteil und das Highend-Label Biokosmetik mit mindestens 95 Prozent Inhaltsstoffen aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft oder kontrollierter Wildsammlung. Tatsächlich ist das Gros der rasant wachsenden und vollmundig werbenden Clean Nature Brands nur begrenzt „green“ und Schummeleien sind keine Seltenheit – das kostspielige Prüfsiegel-Verfahren können sich zudem nur wenige Jungunternehmen leisten.
Natürliche Aromakosmetik für die Sinne
Eine Sonderstellung in der großen Sparte der Naturkosmetik nimmt die Aromakosmetik ein, angelehnt an die Aromachologie. Die aromatherapeutisch wirksamen Ingredienzien basieren auf sorgsam ausgesuchten naturreinen ätherischen Heilkräuterölen und fetten Samenölen mit ethnobotanischer Wirksamkeit und in Einklang mit den fünf Elementen. Etablierte Anbieter wie die französische Institutskosmetik DECLÉOR, Sisley Paris, die Kultkosmetik NUXE Paris, Vinotherapie-Experte CAUDALIE, L‘OCCITANE oder die Schweizer Marke farfalla führen eine eigene Aromabibliothek für die Auswahl ihrer duftenden Komplementärmischungen. Konzentrierte ätherische Öle in Gesichts- und Körperprodukten entfalten hochreaktive, durchblutungsfördernde Wirkungen mit allergieauslösendem Potenzial und sind insbesondere bei regelmäßiger dauerhafter Anwendung nicht ganz nebenwirkungsfrei. Aromakosmetikliebhaber schätzen hierbei das höchst emotional erlebbare und multisensorisch stimulierende Pflegeerlebnis.
Cosmeceuticals an der Grenze zur Medizin
Und was sind Cosmeceuticals? Drin steckt ein Kofferwort aus Cosmetics und Pharmaceuticals, also Kosmetik plus Pharmaka (Arzneimittel), auch dermatologische Kosmetik oder Med-Kosmetik umschrieben. Die bioaktiven Inhaltsstoffe mit medizinischem Nutzen sind klinisch getestet und laborgeprüft in pharmazeutischer Premiumqualität. Dabei durchläuft die gezielte Rohstoffauswahl umfassende In-vivo oder In-vitro-Studien, ehe verlässliche Wirkaussagen getroffen werden. Das Spektrum dieser lösungsorientierten Wirkstoffkosmetik – maximal dosiert knapp unter der Arzneimittelzulassung – reicht von hypoallergener und gänzlich duftstofffreier Formulierung bis hin zu Effektkosmetik für Krankheitsbilder wie Akne, Psoriasis oder Neurodermitis.
Im Fokus stehen spezialisierte Rezepturen aus pflanzlichen Ingredienzien und chemisch oder molekularbiologisch synthetisierten Zutaten, angereichert mit Schlüsselprozessoren wie Säuren, Peptiden, Botenstoffen, Stammzellen oder Wachstumsfaktoren. Der Vorteil von Dermokosmetik ist eine haufreundliche med-gestützte Formulierung, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen – hyperreaktive Prozesse sind bei korrekter Produktanwendung selten. Beispiele für bahnbrechende Cosmeceuticals sind die kalifornische Doctor Brand Murad Skincare, Dr. Dennis Gross, StriVectin aus New York, Augustinus Bader Cosmetics aus Deutschland, Dermalogica oder auch Dermokosmetik-Pionier CLINIQUE Laboratories.
Weiterhin gibt es noch das Segment der herstellerspezifischen Apotheken- oder Pharmakosmetik. Auch hier liegen für die Auswahl der Rohstoffe pharmazeutische Richtlinien unter medizinischen Standards zugrunde. Ein ganz junger und vielversprechender Beauty-Trend sind daneben medizinische Doctor Brands mit Naturkosmetikprüfsiegel, die jeweils beide Zulassungskriterien im qualitativ hochwertigen Reinheitsgehalt erfüllen.
Wilde Kosmetikwechsel meiden!
Fakt ist, „echte“ Naturkosmetik und Cosmeceuticals vertragen sich nicht zusammen kombiniert, denn das grundsätzliche Wirkprofil nebst Transportmechanismus ist ein anderes. Rezeptur, molekulare Dichte und zelluläre Breitbandstreuung differenzieren. Wer also den Kauf von Naturkosmetik in Erwähnung zieht, der sollte zur optimalen Wirkstoffentfaltung innerhalb der favorisierten Linie oder Marke bleiben – ideal von der Reinigung bis zur Augencreme. Nach meiner langjährigen Praxisbeobachtung im Kosmetikinstitut dauert die Umstellung von medizinisch aktiven Cosmeceuticals auf reine Naturkosmetik mit zufriedenstellenden sichtbaren Ergebnissen deutlich länger – das Prinzip der rhythmisierten heilkräftig stimulierenden und zumeist rituell auszuführenden Pflegeimpulse auf dem Weg zu gesunder Hautbalance benötigt Anleitung zum Handling, Zeit und Geduld. Eine normale und intakte Haut wird sich generell schneller auf den Kosmetikwechsel einstellen. Auch beim Einsatz von Cosmeceuticals oder dermatologischer Kosmetik gilt: häufige Produkt- und Markenwechsel grundsätzlich meiden und möglichst aufeinander abgestimmte linienspezifische Präparate regelmäßig und über einen längeren Zeitraum anwenden.
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