Liegt ein Lipödem vor oder handelt es sich um eine harmlose Cellulite? Die im Volksmund auch Reiterhosensyndrom, Reithosenfettsucht oder Säulenbein genannte Fettverteilungsstörung ist jedoch eine fortschreitende Erkrankung des Fettgewebes, einhergehend mit zunehmender Druck- und Schmerzempfindlichkeit. Wir beleuchten die chronische und vielfach unterschätzte „Fettschwellung“, von der nach klinischer Einschätzung in Deutschland knapp vier Millionen Frauen betroffen sind.
Wie erkennt man ein Lipödem?
Das sogenannte Allen-Hines-Syndrom, benannt nach den US-Medizinern Dr. Edgar Van Nuys Allen und Dr. Edgar Alphonso Hines Jr., die das Lipödem erstmals 1940 namentlich dokumentierten, äußert sich in einer krankhaften symmetrischen Vermehrung der Fettzellen an Gesäß, Hüfte, Ober- und Unterschenkel sowie Ober- und Unterarm. Die massive Fettgewebsvermehrung (Lipohyperplasia dolorosa) im Unterhautfettgewebe bedingt wiederum eine Durchlässigkeit und Porosität der Gefäße mit Flüssigkeitseintritt ins Binde- und Stützgewebe. Bei fortschreitender Ausprägung besteht eine Anfälligkeit für Hämatome, selbst bei geringer Druckausübung können sich schnell Blutergüsse oder blaue Flecken bilden. Das Unterhautfett weist vermehrte und verhärtete Bindegewebefasern (Fibrosen), vergrößerte Fresszellen (Makrophagen) und zumeist erhöhte Interleukin-Werte der körpereigenen zellulären Botenstoffe auf. Auffällig ist dabei eine zunehmende Disproportion der betroffenen Areale, vielfach bei ansonsten schlanker Körperstatur auftretend. Häufig wird die Erkrankung als bloßes Übergewicht abgetan.
Da fast ausschließlich Frauen zu den Betroffenen zählen, geht die Wissenschaft von einer hormonellen östrogenabhängigen Ursache und/ oder genetischen Prädisposition aus – hinreichend belegt ist dies aber noch nicht. Meistverbreitet ist die Erkrankung nach der Pubertät, nach der Schwangerschaft und in der Menopause. „In jedem Fall sind Lipödeme keine „klassischen“ Fettpolster, die durch Übergewicht entstanden sind. Ganz im Gegenteil zeichnen sie sich durch Diätresistenz aus“, begründet Dr. Jens Altmann, Facharzt für Plastische Chirurgie, leitender Arzt der Bodenseeklinik und Generalsekretär der Internationalen Gesellschaft für Ästhetische Medizin (IGÄM e.V.)
Krankheitssymptome und Schweregrade
Die Betroffenen leiden unter Spannungsgefühl, Schwellungen und Schmerzen in den entsprechenden Körperregionen. Beispielsweise können sich die Beine nach langem Stehen oder Gehen sehr schwer anfühlen. Hinzu kommen in der Regel empfindliche Berührungs- und Druckschmerzen. „Das es sich um eine fortschreitende Erkrankung handelt, nehmen bei Nichtbehandlung die Beschwerden zu und es kann sich ein fortgeschrittenes Lipödem mit großen Fettgewebsvermehrungen entwickeln. In späteren Krankheitsstadien können die Schmerzen so ausgeprägt sein, dass Betroffene sich nur noch wenig bewegen können und im Alltag stark eingeschränkt sind“, so Dr. Altmann.
Generell wird eine Lipödem-Erkrankung in vier Stadien, Schweregrade mit signifikant fortschreitenden Hautveränderungen, untergliedert. In der ersten Phase ist die Hautoberfläche zumeist glatt, allerdings ist das Unterhautfett verdickt und die Fettstruktur feinknotig. Optisch erinnert der vielfach fehlinterpretierte Typ I an die Orangenhautstruktur bei Cellulite. Handelt es sich um ein Lipödem in Stadium zwei ist die Oberfläche der Haut uneben und die Fettstruktur grobknotig. Im dritten Stadium kommt hinzu, dass das Gewebe derber und härter ist sowie große, deformierte Fettlappen und Wülste erkennbar sind. Wird die Erkrankung nicht fachärztlich behandelt, kann sich das Lipödem zu einem Lipolymphödem mit vermehrten Lympheinlagerungen in Stadium 4 auswachsen.
Konservative Therapien und Bewegung lindern Beschwerdesymptome
Die moderne Differentialdiagnostik umfasst den Sicht- und Tastbefund und berücksichtigt die individuelle Krankenvorgeschichte zur verlässlichen Diagnoseerhebung. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten, durch die der Arzt ein Lipödem feststellen kann. In manchen Fällen reicht bereits eine Blickdiagnose, da sich ein Lipödem durch eine charakteristische Ausprägung kennzeichnet. So sind Arme und Beine meist voluminöser und harmonieren nicht mit den restlichen Körperproportionen. Daneben kann auch der sogenannte paradoxe Kneiftest Aufschluss geben, ob eine Erkrankung vorliegt“, erörtert der Ästhetikmediziner.
Frauen leiden aber nicht nur unter dem körperlichen „Ballast“, denn auch die einhergehende psychische Belastung ist oft nicht zu unterschätzen. In der Regel fühlen sich die Erkrankten nicht mehr wohl in ihrem Körper, was in manchen Fällen auch die Entwicklung von Ängsten und Depressionen zur Folge haben kann. Zu den empfohlenen konservativen Therapien zählt zuallererst die Kompressionstherapie, das konsequente Tragen von Stützstrümpfen der Klasse IV, unterstützt von sanften sportaktiven Maßnahmen wie Schwimmen, Aquagymnastik, Walking oder Radfahren. Eine Gewichtsreduktion bei Übergewicht und die gleichzeitige Ernährungsumstellung, physiotherapeutische Übungen und regelmäßige manuelle Lymphdrainagen lindern die Beschwerdesymptome und verbessern zugleich das Hautbild. Darüber hinaus kann eine langfristige Besserung nur durch eine fachgerechte und komplikationsarme operative Therapie mit kurzen Ausfallzeiten wie die Fettabsaugung (Liposuktion) erzielt werden. Neuerdings wird diese etablierte Methode mit anschließenden haustraffenden ästhetischen Verfahren, beispielsweise Surgical Needling oder Laser- und Plasmabehandlungen kombiniert.
Fettabsaugung mittels Liposuktion (TLA)
Bewährt hat sich hierbei die Anwendung der Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA). Je nach Schweregrad der Erkrankung sind mitunter allerdings mehrere Eingriffe notwendig. Bei der invasiven Behandlungsmethode wird Kochsalzlösung, der ein lokales Betäubungsmittel und weitere Medikamente zugefügt werden, in die entsprechenden Körperzonen injiziert. Die Tumeszenzflüssigkeit wässert die Fettzellen, sodass das Fett anschließend mit dünnen Vibrationskanülen schonend abgesaugt werden kann. Durch die Verwendung von feinen Mikrokanülen in Kombination mit der Vibrationsabsaugung werden die Lymph- und Blutgefäße geschont, das Risiko der Dellenbildungen vermindert und die Narben fallen sehr unauffällig aus. „Es lassen sich prinzipiell mehrere Körperregionen in einer Sitzung behandeln. Daher hängt die individualisierte Dauer des operativen Eingriffs auch vom Umfang der jeweiligen Körperpartien ab. Generell kann man von einem Zeitaufwand von zwei bis drei Stunden ausgehen“, so der auf Fettabsaugungen spezialisierte Fachexperte.
Die Entfernung von Fettzellen ist irreversibel, allerdings kann im Falle eines Lipödems nicht das gesamte betroffene Fettgewebe entfernt werden. Die verbliebenen Lipödem-Zellen können daher weiterhin eine Zunahme des Fettgewebes bewirken. „Glücklicherweise geschieht dies meist nur sehr langsam, sodass eine Fettabsaugung im gleichen Areal erst nach erneuter Verschlechterung der Befunde nach Jahren gegebenenfalls wiederholt werden muss“, erklärt Dr. Altmann.
Quellenverweis: Bodenseeklinik GmbH
Weiterführende Informationen und Med-Kontakt:
Bodenseeklinik GmbH, Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, Graf-Lennart-Bernadotte-Str. 1, D-88131 Lindau/ Bodensee, E-Mail: info@bodenseeklinik.de, www.bodenseeklinik.de

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